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Verständnis

Posted in Uncategorized with tags , , , on 31. März 2009 by bonifatius

groucho-marx-234x3001Du, ich verstehe das. Da habe ich auch volles Verständnis für. Ich verstehe dich, aber … .

Genau, dann kommt das große „Aber“. Aber ich habe da folgendes zu zu sagen: Laber laber schwad. 

Eine folgende Aussage entlarvt in der Regel dann doch eher das eigentliche Unverständnis, oder das eigene Nicht-Verstehen-Wollen. Hört sich aber prima an. Gaukelt dem Gegenüber eine unverbindliche Kameradschaft vor , eine Bruder- respektive Schwesternschaft im Geiste vor, die es an sich nicht gibt. Weil das eigene Ego natürlich viel besser um Dinge weiß, auch bei Dingen die das Gegenüber angeht, als das Gegenüber selbst.

Wo befinden wir uns denn gerade?

Ich denke, (noch so´n Unsatz, weil dies in der kommunikativen Interaktion Vorraussetzung sein sollte), wir befinden uns auf dem schmalen Grat zwischen teilnahmslosen Anhören und respektvollen Umgang miteinander. Lange habe ich dereinst über die Textzeilen: „people talking without speaking, people hearing without listening“ (Sounds of Silence, Simon and Garfunkel) nachgedacht, bis ich diesen kleinen konnotativen Unterschied in der Bezeichnung für Reden und Sprechen, Hören und Zuhören innerhalb der Wörter ausmachte. Es ist eine andere Qualität, ob ich spreche oder rede, höre oder zuhöre.

Mir wird häufig gerne vorgeworfen, dass ich mit all den vielen verbalen Luftblasen, welche ich über den Tag verteilt absondere, wie der Spielzeugbär über dem Spielwarengeschät mit seinen Pustefix-Blasen, anderen die Möglichkeit nehme, selber an den Gesprächen teilzunehmen. Ha! Au contraire! Ich schärfe doch nur meine Zunge, und filetiere die Luft mit meinem schneidigen Wort. Außerdem kann ich doch dadurch auch etwas mitbekommen, über diejenigen, die von meiner Sprachtsunanmi erfasst werden und hinweggespült werden. Ich sehe doch auch Reaktionen, und erkenne doch auch, ob einen Aussage von mir verstanden wird, oder eben nicht. Als jemand, der wie viele andere auch, nein ich befürchte, dass die folgende Aussage nicht auf alle Angehörige der Spezies Mensch zutrifft, mit einem wunderbar harmonierenden Zusammenspiel von Wernicke-Areal und Broca-Areal innerhalb eines Gehirns ausgestattet ist, habe ich auch die Fertigkeit entwickelt, mit Hilfe meines visuellen Cortex Informationen über das Gegenüber zu bekommen.

Ich erkenne demnach, ob ich das Gegenüber langweile, oder erschrecke oder amüsiere oder aufwecke oder was auch immer.

Aber nun zurück zum Verständnis. Ich fürchte, dass diese politisch korrekte und deplatzierte (schreibt man das jetzt auch mit „tz“ oder wird es inkonsequenterweise weiterhin nur mit „z“ geschrieben?) großangelegte Verständnisoffensive eigentlich eher hemmend wirkt. Wohin wäre Aristoteles gekommen, wenn er für alles Verständnis gehabt hätte? Ich befürchte, er wäre ein Kollege Katharina Saalfranks geworden. Geheucheltes Verständnis um jeden Preis. Unverständnis lediglich als letzte Instanz auf dem Wege des Beweises für die eigene Unfehlbarkeit. Hätte Aristoteles alles verstanden, dann hätte er sich keine Gedanken mehr machen müssen. Dann wäre ja alles „Klar wie Kloßbrühe“, dunn mir noch ene Kölsch, Jung, Prost.

So hat der alte Aris damals einfach gesagt: Verstonn isch nit, lommer dröwer nohdenke“ (außerdem hätte er wahrscheinlich auch eher einen Ouzo bestellt, glaube ich, kann´s aber nicht beweisen)

Oh wunderbar, da will jemand über etwas nachdenken. Hört man ja heutzutage sehr selten. Beziehungsweise man hört darüber, aber irgendwo auf dem Pfad des Nachdenkens, irgendwo zwischen Beginn und Ende, hat sich dann die Lösung des Problems oder das Subjekt des Nachdenkens von Will-o´-the-wisps in einen See leiten lassen und ertrank.

Zudem gibt es doch so viele herrliche Dinge auf dieser Welt, für die ich kein Verständnis haben kann. Ja, sogar, kein Verständnis  haben darf. Zum Beispiel Abfindungen für Bankrotteure aus meinen Steuerzahlungen: Hann´sch kei Verständnis für! Will´sch uch nit han! 

Begeben wir uns doch mal kurz in den Bereich der Etymologie und versuchen dem  Wort „Verständnis“ ein wenig auf die Spur zu kommen. Verständnis muss doch was mit Verstand zu tun haben. Dieser Begriff wiederum wird doch gerne verwendet, um einem Individuum auf zwei Beinen mit annähernd humanoiden Zügen und humanoidem Phänotyp eine Zugehörigkeit zur überlegenen menschlichen Rasse zuzuordnen (oder eben dieses jenem abzusprechen: „Du bist doch nicht bei Verstand!“).

Mon Dieu, da juckt mir doch die Fontanelle. Vielleicht, ich gebe das zu, gibt es tatsächlich den einen oder anderen, den ich aus rein persönlicher Warte heraus, und nicht im streng-pathologischen Sinne, diese Eigenschaft abspreche. Denen ich eine Existenz synaptischer Verbindungen im Hypothalamus abspreche, die aber laut neusten Coputertomographien durchaus im Besitze eines Gehirns sind, die dieses jedoch nicht zu nutzen wissen. Ja oder einfach nur fehlgeleitet sind.

Wenn denn jemand stumpf und dumm volksdeutsches Rudeldenken nachstammelt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, diese Behauptungen inhaltlich zu prüfen, dann setzt bei mir das Verständnis aus. Und ich will den auch nicht verstehen, egal, ob er eine schwierige Kindheit gehabt hat, oder seine Lehrer doof waren, oder er sich versehentlich mal beim Backen die linke Hand verbrannt hat, und er aus diesem Grunde nur die rechte Hand heben kann. Egal, egal, egal. hier endet all mein geheucheltes Verständnis, und all die Nachvollziehbarkeit.

An sich ist es doch ´ne gute Sache, jemanden zu verstehen, seine Motive nachvollziehen zu wollen, das große „Warum“ zu ermitteln. Doch wenn es als Reflex benutzt wird, als erste Reaktion auf das Gesagte, dann wiegelt man den anderen doch in Sicherheit und vermittelt ihm das Gefühl, dass es da noch jemanden gibt, der ähnlich denkt. Und das kann es doch nicht sein.

Danke für Ihr Verständnis

Bonifatius

Und nur zum Verständnis eine Art Post Scriptum:

Falls ich hier häufiger von „er“ „ihm“ „seiner“ „dessen“ gesprochen und geschrieben habe, dann sind selbstverständlich auch die Formen „sie“ „ihre“ „ihrer“ und „deren“ implizit gemeint. Nur damit sich Frauen aus meiner Kritik nicht ausgeschlossen fühlen.

Bonifatius